„Heute ist ein besonderer Tag. Ein Tag, den Sie sicher herbeigesehnt haben. Auf den Sie sich gefreut haben. Sie haben damit ein wichtiges Ziel in Ihrem Leben erreicht. Nämlich den Abschluss einer Ausbildung. Dazu mein herzlicher Glückwunsch“, so eröffnet BBW-Geschäftsführer Rainer Hilt die ganz besondere Feier, auf die 61 Azubis in 20 verschiedenen Ausbildungsberufen aus unserem Berufsbildungswerk zugefiebert haben. Und Berufsschulleiterin Marion Kremer ergänzt: „Sie haben nun die Eintrittskarte – für den ersten Arbeitsmarkt – die Wirtschaft, die Gesellschaft wartet auf Sie, auf ihre Kompetenzen, auf Ihre Fähigkeiten auf alles, was Sie mitbringen. Sie sind die neuen Fachkräfte.“ Und von diesen Fachkräften haben 15 Preise und 22 Belobigungen für besondere schulische Leistungen erhalten.
In einem feierlichen Rahmen in der BBW-Sporthalle bekommen die Abgänger*innen nicht nur ein Abschiedsgeschenk und ein Festessen für sich und ihre Angehörigen, sondern auch einen positiven Impuls für ihre weitere berufliche Zukunft.
Der kam in diesem Jahr von der Bundestagsabgeordneten, Redepreisträgerin, und Gebärdensprach-Influencerin Heike Heubach aus Augsburg. Ihre schulische Laufbahn wäre auch so ähnlich in der Paulinenpflege möglich gewesen: Grund- und Hauptschule auf einer Klosterschule für gehörlose Schüler*innen in Heiligenbronn. Danach geht sie auf die Berufsfachschule in Neckargemünd und ans Gisela-Gymnasium in München. Dort gibt es eine Inklusionsklasse. Danach macht sie eine Berufsausbildung als Industriekaufrau. Inzwischen ist die zweifache Mutter Bundestagsabgeordnete für die SPD. Im Oktober 2024 hält sie die erste Rede im Bundestag in Deutscher Gebärdensprache. Für ihr Plädoyer für Klimaschutz und das Beispiel einer veränderten Redekultur erhält sie die Auszeichnung „Rede des Jahres 2024“.
„Ich habe in meinem Leben auch über 100 Bewerbungen schreiben müssen, bevor ich genommen wurde. Lasst Euch davon nicht unterkriegen. Gebt nicht auf, irgendwann geht eine Tür auf. Es lohnt sich zu kämpfen“, sagt Heike Heubach in ihrer Rede, die sie ganz spontan direkt an die Azubis richtet und nicht von ihrem vorbereiteten Skript abliest. Die jungen Erwachsenen mit Beeinträchtigung sind davon sehr begeistert.
Vor der Abschlussfeier war Heike Heubach im Berufsbildungswerk und der Schule beim Jakobsweg unterwegs. Darüber berichtet Dietrich Hub:
Seit März 2024 ist Heike Heubach Mitglied des Bundestages. Bis dahin gab es noch nie eine gehörlose Bundestagsabgeordnete. Ihre Rede vor dem Plenum am 10. Oktober 2024 war ein Novum in der deutschen Geschichte. Ihr Vortrag in Gebärdensprache wurde simultan von Gebärdensprachdolmetschern in Lautsprache übersetzt. Auch sonst stehen Heike Heubach für ihre Tätigkeit als Politikerin in Berlin und in Augsburg jeweils Dolmetscher zur Verfügung. Gerade auch um dieses Thema, den Einsatz von Gebärdendolmetschern und natürlich auch, wer diese bezahlt, ging es in ihren Gesprächen in der Paulinenpflege.
In der Paulinenpflege informierte sich die Politikerin bei Hauptgeschäftsführer Andreas Maurer und leitenden Mitarbeitern über Ausbildungen und schulische Bildungsgänge für gehörlose junge Menschen. Anders als früher werden die Ausbildungen nicht nur von gehörlosen oder schwerhörigen jungen Menschen absolviert. Das Ausbildungskonzept der Paulinenpflege ist inzwischen auf alle Arten von Behinderungen im Bereich Hören, Sprache und Kommunikation ausgelegt. Auch junge Menschen mit der Autismus-Spektrums-Störung oder mit psychischen Erkrankungen brauchen häufig eine intensivere Förderung, als sie in Regel-Berufsschulen und in regulären Betrieben möglich ist. Deshalb sind die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler und der Azubis in der Paulinenpflege oftmals sehr unterschiedlich. Die gehörlosen Menschen in der Paulinenpflege sind aber nach wie vor auf Gebärdensprache angewiesen, d.h. sie brauchen Dolmetscher.
Auch die Inklusion, die Einbeziehung aller Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft und natürlich auch in Schule und Ausbildungen, war ein Thema der Gespräche mit Heike Heubach. Sie gehört der SPD an, d.h. der Partei, die ebenso wie die Grünen im Prinzip die Inklusion befürwortet. Manche Politiker, die anders als Heike Heubach nur wenig von der realen Situation von Menschen mit Behinderungen wissen, forderten deshalb auch schon die Abschaffung von „Sondereinrichtungen“ wie die Paulinenpflege. Heike Heubach war mit den leitenden Mitarbeitern der Paulinenpflege einer Meinung, dass damit auch viel notwendige Kompetenz im Umgang mit gehörlosen Menschen verloren ginge.
















