„Wir haben hier bei Null angefangen, als die Berufsvorbereitenden Maßnahmen speziell für Jugendliche aus dem Autismus-Spektrum in Heilbronn starten sollten“, sagen die zwei Berufsbildungswerk-Kollegen Matthias Stärk und Nicolai Lorenz. Das war 2015 – damals haben sich die Berufsbildungswerk-Leitung in Winnenden und die Arbeitsagentur Gedanken gemacht, wie die Anfragen von Autisten für eine Berufsvorbereitung aus dem Raum Heilbronn besser abgedeckt werden können.
„Wir waren mit unserem BBW Winnenden damals schon als Autismus-Experten im Großraum Stuttgart bekannt. Nur war die räumliche Entfernung zwischen dem Raum Heilbronn und Winnenden ein Problem für dieses Klientel und deren Einschränkungen“, erinnert sich Selmar Ehmann, der für Heilbronn zuständige stellvertretende Ausbildungsleiter. Auch die Autismus-Interessensverbände waren stark daran interessiert, dass es einen Autismus spezifischen Berufsvorbereitungs-Standort in Heilbronn gibt. Und so war die BBW-Außenstelle fast schon beschlossene Sache und wurde in die Hände von Nicolai Lorenz, der bereits in einem Internat für Autisten gearbeitet hatte und Matthias Stärk, der als Ausbilder aus der Industrie kam, übergeben.
Bei Null anfangen bedeutet zum Beispiel auch die Einrichtung der neuen Räume in der Heilbronner Austraße mitplanen: „Unsere Kollegen aus der Schreiner-Ausbildung aus dem BBW Winnenden haben uns nach unseren Ideen die Küche eingerichtet. Die IT-Ausbildung war uns dann beim Einrichten unserer PCs behilflich. Vieles war Paulinenpflege-Eigenleistung“ berichten Matthias Stärk und Nicolai Lorenz. Gestartet sind sie dann mit drei Teilnehmern aus dem Autismus-Spektrum. Seitdem sind es im Durchschnitt zehn junge Menschen pro Jahr, die sie hier auf eine Ausbildung vorbereiten.
Und nicht nur das: Viele der BvB-Teilnehmer haben sich noch nie außerhalb ihres gewohnten Rahmens bewegt. So gehört neben dem Kennenlernen der Hauswirtschafts-, IT- oder Lagerlogistik-Berufsfelder auch das Fördern von lebenspraktischen Kompetenzen. Da passen die drei Berufsfelder besonders gut: Die in der Berufsvorbereitung behandelten Themen braucht man auch im Alltag. Zum Beispiel aus der Lagerlogistik: Wie nimmt man ein Postpaket richtig an? Wie verpacke ich ein Paket ordnungsgemäß? Oder aus der Hauswirtschaft: Was brauche ich für einen Kuchen und wie arbeite ich einen Einkaufszettel im Laden ab? „Am Anfang kommen die Jugendlichen auch mal mit nicht allen benötigten Lebensmitteln zurück. Aber schon, dass sie sich selbstständig in den Laden trauen, ist ein großer Erfolg“, sagt Matthias Stärk. Er ist der Werkstattleiter, während Nicolai Lorenz für das Pädagogische zuständig ist.
„Auch wenn wir verschiedene Schwerpunkte haben, macht in unserem Team jeder alles. Das geht auch nicht anders, wenn zum Beispiel einer von uns beiden Urlaub hat oder krank ist. Wir sind ein eingespieltes Team und können uns aufeinander verlassen. Anders wäre die Arbeit nicht möglich“, sagt Nicolai Lorenz. Unterstützt werden die zwei von Berufsschullehrerin Susanne Bürker-Schott, die einmal in der Woche aus Winnenden kommt. „Das ist dann der Tag, an dem wir zum Beispiel Aufnahme- und Elterngespräche führen oder Berichte schreiben können. Da wir keinen eigenen Haustechniker haben, sind wir auch für kleinere Reparaturen zuständig. Auch das muss nebenbei erledigt werden“, berichtet das BvB-Duo. Seit einiger Zeit haben Stärk und Lorenz auch einen geringfügig beschäftigten Kollegen, der sie besonders im Bereich Hauswirtschaft entlastet.
Jammern ist allerdings nicht ihr Ding – im Gegenteil: „Es ist toll, dass wir hier so selbständig arbeiten dürfen. Das BvB Heilbronn ist unser Baby und wir dürfen es von Anfang ganz individuell an den Bedürfnissen unserer jungen Erwachsenen aus dem Autismus-Spektrum orientiert mitgestalten. Das betrachten wir als Wertschätzung. Zudem werden wir auch bestens aus dem fernen Winnenden unterstützt. Wenn wir eine Frage haben, dann helfen uns die ITler oder auch andere BBW-Werkstätten sowie der Sozialdienst und die Psychologen bzw. die Logopädin jederzeit weiter. Wir sind dankbar, dass wir auf dieses Knowhow zurückgreifen können“, freuen sich die zwei Kollegen. Zudem wird das Soziale Kompetenztraining von der autista Heilbronn GmbH übernommen, die ihre Räumlichkeiten ebenfalls im Gebäude haben.
„Das hier ist schon eine ganz besondere Erfolgsgeschichte. Wir sind froh, dass die Zusammenarbeit zwischen Nicolai Lorenz und Matthias Stärk über ein Jahrzehnt so gut funktioniert“, sagt der stellvertretende Ausbildungsleiter Selmar Ehmann, der regelmäßig ein Jour-Fixe mit den beiden in Heilbronn hat und so den direkten Kontakt hält. Und der Erfolg zeigt auch dadurch, dass die meisten BvB-Teilnehmer, ganz selten gibt es auch Teilnehmerinnen, nach dieser Maßnahme eine Ausbildung starten können: „Das ist für uns die schönste Bestätigung unserer Arbeit – wenn wir sehen, wie positiv sich die Jugendlichen innerhalb eines Jahres entwickeln. Oft trauen sie sich zunächst nicht einmal, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Und nach dem BvB stehen sie mitten im Leben drin. Vor kurzem war einer unserer Teilnehmer hier auf Besuch. Er hat inzwischen eine Lagerlogistik-Ausbildung gemacht und danach in einem Online-Getränkehandel gearbeitet. Jetzt ist er Mitarbeiter bei einer Weingenossenschaft“.
Auch von den Eltern der jungen Leute kommt oft Lob: „Ihre Unterstützung und Betreuung haben unserem Sohn sehr geholfen und ihm wertvolle Erfahrungen ermöglicht. Besonders schätzen wir, wie einfühlsam Sie auf seine Bedürfnisse als Autist eingegangen sind. Das ist für uns nicht selbstverständlich“, steht auf einer Dankes-Faltkarte. Mehr gibt es dazu nicht mehr zu schreiben…
















